Strategie | WMS ohne Risiko – so geht‘s

Risiken beherrschen – bei WMS-Projekten

Das Bewusstsein über relevante Risiken innerhalb eines Projektteams ist der Grundstein für ein erfolgreiches Risikomanagement in WMS-Projekten. Dafür unerlässlich: eine enge Zusammenarbeit zwischen Kunde und Anbieter.

© Fotolia - R. Gino Santa Maria

Ein Grund, warum sich IT-Projekte verzögern oder sogar scheitern, ist der falsche oder gänzlich ­fehlende Umgang mit Risiken. Dies gilt ­besonders für die Implementierung von Warehouse-Management-Systemen (WMS), die sich durch eine Vielzahl an divergenten Projektbeteiligten sowie eine hohen Komplexität der Prozess- und IT-Landschaft auszeichnen. Unter diesen Rahmenbedingungen haben die prismat GmbH, als langjähriger Experte für die ­Implementierung von SAP-­Lösungen in der Logistik, und das Team warehouse logistics des ­Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik IML das Thema Risiko-management in WMS-Implemen­tierungsprojekten untersucht.

Die Herausforderung im Risikomanagement liegt in der vollständigen Identifikation und dem Bewusstsein aller Risiken. Daher wurden im Rahmen von Experteninterviews relevante Risiken in WMS-Projekten identifiziert, anhand ihres Gefahrenpotentials gewichtet und prozessual eingeordnet. Das Gefahrenpotential eines Risikos beschreibt die Auswirkungen, die mit einem Eintritt des Risikos verbunden sind (niedrig, mittel, hoch, sehr hoch). Mit Hilfe der Expertise des Fraunhofer IML und der prismat GmbH konnten so Anforderungen und Risiken aus­gemacht werden, die bei einem unzureichenden Risikomanagement in WMS-Projekten zu Stolpersteinen werden können.

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Komplex oder nah ­am Standard?
Dabei weist nicht jedes WMS-Projekt das gleiche Potential für Gefahren auf. Je nach Komplexität und Standard-Nähe der Projektanforderungen müssen spezifische Risiken in Betracht gezogen werden. Die Anforderungen, die an WMS-Projekte gestellt werden, lassen sich in vier Kategorien gliedern: Die funktionalen Anforderungen, die nicht-funktionalen Anforderungen, die Anbindung von Fremdsystemen und die Integration von Technik. Diese Klassifikation sowie die Top 5 Gefahrenpotentiale pro Kategorie sind in Abbildung 1 dargestellt. Deutlich wird, dass insbesondere weitreichende funktionale Anforderungen im Bereich der Packstückoptimierung und der Gefahrstoffe in WMS-Projekten zu einer Herausforderung werden können. Zudem ist es wichtig, den Zeitpunkt des Go-Lives sinnvoll zu wählen und operative Mitarbeiter frühzeitig mit einzubinden um eine hohe Systemakzeptanz zu erzielen. Die Anbindung von Fremd­­­­systemen weist nach Einschätzung der Experten nur ein mittleres Gefahren­potential für die erfolgreiche Einführung eines WMS auf, sollte jedoch in WMS-Implementierungsprojekten grundsätzlich nicht außer Acht gelassen werden. Im Bereich der Integration von Technik werden ebenfalls keine erhöhten Gefahrenpotentiale für ein WMS-Projekt gesehen. Die Abstufungen innerhalb der Bewertung der einzelnen Technologien veranschaulichen jedoch, dass es durchaus Standardansätze und weniger häufig zum Einsatz kommende Techniken wie RFID und Pick-by-light und Pick-by-voice gibt.

Unabhängig von der Komplexität der Anforderungen an ein WMS-Projekt, konnten typische, immer wiederkehrende Risiken in WMS-Projekten identifiziert und gewichtet werden. Dazu gehören die in Abbildung 2 dargestellten Aspekte. Um diese in jedem WMS-Projekt vollständig zu erfassen und zu behandeln, bieten sich Checklisten als Katalog zur Risikoidenti­fikation an. Darüber hinaus sollte jedes Projekt hinsichtlich individueller Risiken und Anforderungen betrachtet werden. Für diese projektspezifische Identifikation von unbekannten Risiken lassen sich Methoden wie das Brain­storming verwenden.

Größtes Gefahrenpotential: schlechte Schulungen
Aus den Top 3 gewichteten Risiken wird ersichtlich, dass insbesondere die Einbeziehung des Kunden und seiner Mitarbeiter auf allen Ebenen ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine WMS-Implementierung darstellt. Neben mangelhafter Anwenderschu-lungen und ungenügender Testmotivation führt auch eine unzureichende Prozesskenntnis des Kunden immer wieder zu Hindernissen in WMS-­Projekten. Mit einer strukturierten Ist-Prozessaufnahme unter Einbeziehung der operativen Mitarbeiter sowie einem Soll-Prozessdesign in der Konzept Phase kann diesen Stolpersteinen erfolgreich entgegengewirkt werden. Auch die klassischen Projektmanagement-Risiken „unrealistische Zeit- und Budgetplanung“ gehören zu den am häufigsten auftretenden und das Projektziel gefährdenden Aspekten und sollten somit gezielt zu Projektbeginn betrachtet werden. Ein weiteres in WMS-Projekten häufig unterschätztes Risiko, ist die unklare Zielvorstellung über funktionale und nichtfunktionale Anforderungen. Hier kann ein detailliertes Lastenheft Abhilfe schaffen, in welchem beschrieben wird „Was“ das WMS leisten muss – ohne dem Anbieter zwingend vorzugeben, „Wie“ die Umsetzung durchzuführen ist. Das Lastenheft sollte so allgemein wie möglich und so einschränkend wie nötig formuliert sein. Für WMS-Projekte bietet sich eine Orientierung der Struktur an der VDI-Richtlinie 3601 „Warehouse-Management-Systeme“ an.

Nicht ­erkannte Risiken ­sind später oft Realität
Ein fehlendes Risikomanagement in frühen Projektphasen führt zu erhöhten Aufwänden im weiteren Projektverlauf. So treten zu Projektbeginn in der Einsatzanalyse wenige Risiken ein. Mit zunehmender Projektdauer nimmt deren Anzahl zu. Besonders in den Phasen Implementierung und Tests macht sich ein unzureichender Umgang mit Risiken bemerkbar. Für die Risikosteuerung bedeutet dies praktisch, dass schon vor dem Projektstart Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit Risiken im weiteren Verlauf reduziert werden. Innerhalb der Untersuchung zum Thema Risikomanagement stellte sich weiterhin die Frage, welche Seite (Kunde oder WMS-Anbieter) die Verantwortung für die Beherrschung eines Risikos trägt. Die überwiegende Zahl der Risiken muss in abgestimmter Kooperation behandelt werden. Dies bedeutet, dass Verantwortlichkeiten klar zugeteilt und kommuniziert werden müssen. Somit ist die Zusammenarbeit der Projektparteien ein wesentlicher Erfolgsfaktor in WMS-Projekten.

Risikomanagement in Prozesse integrieren
Für ein erfolgreiches Risikomanagementsystem ist es des Weiteren unabdingbar die Methoden und Werkzeuge des Risikomanagements direkt in bestehende Prozesse einzuplanen und zu verankern. Für WMS-Projekte bedeutet dies, den Prozess des Risikomanagements in die zumeist fest etablierte Projektmethodik der WMS-Einführung einzubetten. Bei sequentiellen Vorgehensweisen gibt das Meilensteinkonzept einen Orientierungsrahmen. Grundsätzlich gilt, dass bei jedem Erreichen eines Meilensteines, also dem Ende einer Phase, der Risikomanagementprozess durchgeführt werden sollte. Weiterhin findet zu diesen Zeitpunkten eine Analyse der vorherigen Phase statt, um Erkenntnisse für Folgephasen zu gewinnen. Die Risikokontrolle, also die Statusverfolgung der im Projekt identifizierten Risiken, sollte in kurzzyklischen Abständen durchgeführt werden. Sie kann beispielsweise innerhalb von Projektreviews erfolgen.

Interne und externe Risikokommunikation definieren
Neben der Integration des Risiko­managementprozesses in die Projekt­methodik ist der Aspekt der Risikokommunikation eine wichtige Säule. Damit diese zielorientiert durchgeführt wird, muss ein ausgeprägtes Risikobewusstsein bei allen Projektbeteiligten vorhanden sein. Dazu gehört das Erlangen von Grundwissen über den Risiko­­managementprozess, Methoden und ­typische Risiken in WMS-Projekten. Nur mit dieser Grundlage können Mitarbeiter die Konsequenzen ihrer Handlungen einschätzen. Das Vermitteln dieses Risikobewusstseins kann im Vorfeld durch Schulungen oder in projektspezifischen Meetings durch­geführt werden. Innerhalb der Risikokommunikation müssen in Abhängigkeit des Risikostatus klare Regeln für die interne und externe Kommunikation definiert werden. Hierzu gehört beispielsweise das Festlegen von Zeitpunkten, an denen übergeordnete Instanzen wie der Lenkungskreis über Risiken informiert werden. Zur Risikokommunikation gehört ebenfalls, dass Projektmitarbeiter ihre Verantwortlichkeiten bei der Risikobeobachtung und Maßnahmen­umsetzung einhalten und Statusänderungen direkt einem Projektverantwortlichen kenntlich machen. Die Zusammenarbeit zwischen der prismat GmbH und dem Fraunhofer IML hat typische Risiken in WMS-Projekten identifiziert und deren Gefahrenpotentiale bewertet. Zudem wurde herausgestellt, was für eine erfolgreiche Umsetzung von Risikomanagement in WMS-Projekten zu beachten ist. Dabei ist deutlich geworden, dass ein umfangreiches Risikobewusstsein sowie eine frühzeitige Risikoidenti­fikation und eine definierte Risikokommunikation von entscheidender Bedeutung für ein erfolgreiches WMS-Projekt sind.

Über die Autoren:
Diplom-Wirtsch.-Ing. Kira Schmeltzpfenning ist Mitarbeiterin des Fraunhofer-Instituts für ­Materialfluss und Logistik IML in Dortmund und als fachliche Leitung des „Team warehouse logistics“ verantwortlich für Langzeitstudien sowie Prozess- und Strategieberatung auf dem WMS-Markt.

M.Sc. Christoph Hagedorn ist als SAP EWM Consultant bei der prismat GmbH tätig und hat das Thema Risiko­management in WMS-Projekten im Rahmen seiner Masterarbeit näher betrachtet.

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