Identtechnik/RFID
Materialfluss Round Table: RFID im Einsatz - Sinn oder Unsinn, Experten diskutieren mit Materialfluss
RFID zählt nicht nur in der Intralogistik zu den Innovationen der letzten Jahre. Aber wo macht die Technik wirklich Sinn und wie kann sie implementiert werden? Ein Round-Table-Gespräch gibt Antworten. RFID ist ein Thema, das viel und kontrovers diskutiert wird. Die kleinen Tags können viel, haben aber auch Nachteile.
Laut Gerald Hofer, Managing Director der Knapp Logistik Automation GmbH, sind die Einsatzzwecke dieser Technik immer noch sehr beschränkt: „Es gibt einige wenige Sonderlösungen. Wir verwenden RFID etwa in standardisierten Lagerkästen, wenn wir schnelle Ware-zu-Mann-Systeme anbieten. Zum Teil nutzen wir RFID als Ersatz für den Barcode, damit wir den Kunden ein Mehr an Sicherheit bieten oder um Zusatzinformationen mit auf den Weg zu geben.“
Aber es gibt laut Hofer auch Einschränkungen: „All die Test, die wir gemacht haben, um RFID weiterführend zu verwenden, scheitern an der Leserate und an der Sicherheit. Wir brauchen eine Leserate von 99,9 % und darüber hinaus. Zum anderen muss unterscheiden werden, ob die Produkte selbst oder die Überverpackung bzw. die Behälter mit RFID ausgezeichnet sind. Bei letzteren setzen wir es auch ein. Wir haben ferner Projekte laufen, um die Leserate zu verbessern, aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass sich in der Zwischenzeit beispielsweise mit dem Datamatrix- Code, auch Konkurrenz aufgetan hat. Und nachdem RFID einfach noch nicht so weit war, werden jetzt in vielen Fällen auch in der Pharmaindustrie eben diese zweidimensionalen Barcodes eingesetzt. Also wir sind dran, aber flächendeckender Einsatz von RFID – da sind wir noch weit davon entfernt.“
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Auch Werner Habryka, Group Director IT der Fiege Holding Stiftung & Co. KG, brach zunächst eine Lanze für den Barcode: „Wir sind als Dienstleister drauf angewiesen, dass die Behälter, die bei uns angeliefert werden, im Prinzip schon einen entsprechenden Informationsgehalt haben. Und den erreichen wir heute mit dem Barcode, weil wir die unterschiedlichsten Produkte haben, die dann doch Barcode-verträglich sind, aber eben nicht RFID-verträglich. Aber wir haben RFID in einem Projekt ausprobiert. Wir liefern für den Bezahlsender Premiere die entsprechenden Decoder. Die Steuerung und Überwachung dieser Decoder beinhaltet auch die Fragen, wo sie hinkommen und wann sie wieder zurückkommen – das wir mit einem Chip erledigt.
Um es mal so zusagen: Sie investieren da eher in Forschung und Lehre. Es ist noch nicht so, dass Sie mit RFID einfach arbeiten können und es funktioniert. Mit dem Barcode hingegen fangen Sie an und es klappt. Aber man kann sich tolle Dinge vorstellen. Das einzige, was wir heute aktuell im RFID-Umfeld machen ist, dass wir für die Auslieferung die entsprechenden Paletten mit RFID-Chips versehen oder im Bereich Textil & Fashion- Logistik die entsprechenden Teile damit versehen. Aber von der effizienten Steuerung der Intralogistik mit RFID sind wir noch weit entfernt.“
Grundverschiedene Systeme Laut Frank Bücker, Leiter Kunststoff-Vertrieb Projektmanagement der Paul Craemer GmbH, müsse man allerdings bedenken, das RFID und Barcode zwei grundverschiedene Systeme sind: „Der Barcode ist ein optisches System, aber RFID ist es nicht. Wir als Kunststoff-Palettenhersteller haben natürlich auch Versuche an der Palette gemacht und uns die Frage gestellt, welchen Mehrwert wir an diesen Ladungsträger bringen können. Da war natürlich auch die Diskussion, mit Barcode zu arbeiten. Aber in aller Regel liegt eine Palette auf dem Boden, Flurförderfahrzeuge kommen angefahren, gehen da auch teilweise unsanft damit um. Wir finden, zumindest was die Prozesssicherheit für gewisse Dinge in logistischen Ketten bedeutet, das der Barcode hier einfach nicht funktioniert. Ein Transponder, der in der Palette verbaut ist, bietet gegenüber mechanischen Einflüssen einfach mehr Prozesssicherheit.“
Auch das Thema Leseraten sah Bücker differenzierter: „Für die Leserate ist es immer wichtig, wie der Ladungsträger in dieser logistischen Kette gehandelt wird. Ich habe ja heute unterschiedliche Möglichkeiten – ob ich etwa mit festen Leseanlagen arbeite oder mit Handhelds und ob ich sehr nah mit der RFID-Technik an der Fördertechnik arbeite. Da erziele ich sicherlich schon sehr hohe Leseraten von, ich denke mal, 97, 98 % mit Sicherheit. Ich denke das wird auch noch höher gehen. Aber man wird immer Paletten haben, die man nicht erfasst. Doch von der Prozesssicherheit, wenn man das mal so zumindest auf die Palette bezieht, sind wir im RFID-Bereich wesentlich besser wie mit einer Barcode-Anwendung.“
RFID zur Positionsbestimmung Laut Matthias Klünder, Direktor Intralogistik- Systems der Still GmbH, kann man RFID wesentlich für die Bereiche Identifizierung, Authentifizierung, Zugangssysteme und Lokalisierung einsetzen: „Still hat sich ja relativ früh schon auf die Lokalisierung konzentriert. Mit einer Antenne unter dem Fahrzeug können passive Transponder, die im Boden versenkt sind, dazu genutzt werden, die Position des Staplers zu bestimmen. In Kombination mit einem Höhensensor und mit einem Lastsensor sind Sie dann in der Lage, nach einem einmaligen Erfassen des Ladehilfsmittels eine ständige Verfolgung im Lager sicher zu stellen. So wissen Sie, was Sie auf der Gabel haben, und Sie wissen dann auch, wo diese Palette abgelegt wurde. Dies geschieht unabhängig davon, ob ein Tag auf der Palette aufgebracht ist oder nicht. Der Stapler ist Schnittstelle und dient zur Verfolgung des Ladehilfsmittels, der Ware, und des Transportgutes. Es gibt ganz bestimmte Anwendungen und Bereiche, wo RFID Sinn macht.
Aber man muss immer den Nutzen sehen, den man am Schluss erhält, und sich die Frage stellen, ob er den Invest rechtfertigt, den man vorher tätigen muss.“ Vorzüge von RFID sieht Klünder aber im Bereich der Stapler-Lokalisierung, im Schmalgang: „Wir können an sicherheitskritischen Kreuzungen, an denen immer wieder Unfälle im Lager passieren, durch einen Transponder in die Steuerung der Fahrzeuge eingreifen und etwa die Geschwindigkeit drosseln. Ferner können wir beispielsweise dafür sorgen, dass ein Stapler nicht die Rampe runter fährt, was ab und zu mal vorkommt. Jeder, der sich mit Unfällen im Lager beschäftigt, stellt meistens fest, dass es kritische Bereiche gibt, an denen immer wieder Unfälle auftreten. Und wenn man die Möglichkeit hat, durch einen Tag im Boden auf die Fahrzeugsteuerung, also auf das Fahrzeug aktiv einzugreifen, und sei es nur um eine Rundumleuchte an zu machen, dann wäre das für mich eine sinnvolle Anwendung von RFID.“
Branchen, die RFID in ihrer Intralogistik bevorzugen, sieht Bücker indes nicht: „Wir kommen natürlich klassisch mit der Kunststoff-Palette aus der Lebensmittelindustrie. Sind aber heute in der Anwendung in allen Industriebereichen unterwegs. Aber die Anforderung an eine Palette wird immer höher. Eine moderne automatisierte Anlage kommt mit den normalen Ladungsträger Holzpalette gar nicht mehr zurecht, weil die Qualität einfach nicht mehr ausreichend ist. Doch es gibt ja gerade für die Kombination Stapler mit Reader und Palette mit Tag noch viel mehr andere Möglichkeiten. Denn im Bereich der Palettenfördertechnik ist dies ja auch schon möglich: Mit der Palette werden Fördertechniken und damit der Weg der Palette direkt gesteuert. Man muss aber nicht so weit gehen. Andere machen ein reines Ladungsträger-Management, also eine Verfolgbarkeit, um die Verfügbarkeit von Ladungsträgern zu ermitteln. Mit RFID kann ich da viele Dinge sauber abbilden.“
Bei RFID-Chips besteht laut Habryka die Möglichkeit, mehr Informationen zu speichern und diese gleich beim ersten mal auszulesen: „Es gab ja die Initiative, EAN128 als Barcode wirklich zu 98 oder 100 % einzuführen, um in der gesamten Logistikkette sowohl Komplettpaletten als auch Mischpaletten im Handel zu erfassen. Das hat sich im Großen und Ganzen ja gut durchgesetzt. Mit dem RFID-Chip haben wir natürlich noch mehr Möglichkeiten, weil wir alle Informationen, die auf dem Lieferschein sind, auch direkt auf dem RFID-Chip laden können. Das heißt, wenn eine Palette durch das Tor kommt, können Sie sofort alle Informationen auslesen, ohne dass sich ein Mitarbeiter hinstellen muss und einen Barcode nach dem anderen scannt.
Aber Leseraten von 96 oder 97 % sind nicht genug. Wenn wir von großen Handelsunternehmen wie Metro oder Rewe ausgehen, bei denen am Tag rund 1 000 Paletten umgeschlagen werden, dann haben die mit diesen Leseraten ein paar „Problemchen“. Sie haben auf den Paletten meist dann auch keine Informationen mehr oder sollten sie nicht haben. Eigentlich könnte man komplett auf allen anderen Informationen verzichten, wenn man 100 % Leserate hätte.“
„Natürlich können so große Konzerne als Treiber wirken“, ergänzt Hofer. „Doch wenn die Technik so weit wäre, hätten diese Konzerne das durchgesetzt. Aber ich glaube, beim Thema Ladungsträger-Verfolgung sind wir demnächst so weit, dass wir es machen können, denn es hat ja viele Vorteile: Ich muss nicht alles zentral in Datenbanken halten, z.B. ich kann mit dem Ladungsträger Informationen mitgeben, ich bin offline an der Information dran. All das ist wichtig. Aber wir sollten nicht vergessen, dass dieser Tag eigentlich angetreten ist, auf dem Einzelprodukt drauf zu sein und uns so noch viel mehr abzunehmen. Nämlich die Geschichte des Produktes vom Hersteller bis zum Endkunden zu verfolgen. Dies gilt speziell für den Pharmabereich. Wir wollten Sicherheit schaffen, etwa dass ein Produkt auch dort verkauft wird, wo es soll. Das haben wir noch nicht geschafft.“
Die gesamte Supply-Chain im Blick Habryka hat indessen die gesamte Supply- Chain im Blick: „Wenn die Produkte bereits an der Quelle, also dort wo sie das erste Mal zusammengestellt oder ausgerüstet werden, schon mit einem RFIDChip ausgerüstet werden, dann rechnet sich dieser auch über die gesamte Supply- Chain. Denn: Auf einem Behälter, der von China bis Timbuktu und über fünf Umschlagsplätze gelaufen ist, sind sehr viele Aufkleber. Wir müssen manchmal schon genau gucken, welcher jetzt das richtige Label zum Scannen ist. Dann würde es auf jeden Fall schon auch heute im Komplettbehälter-Bereich Sinn machen, wenn sich alle dran beteiligen würden. Aber es geht noch weiter: Der Textil- Bereich wird wahrscheinlich der erste Bereich sein, der Tags durchgängig , also bei jedem Stück, einsetzen wird. Sie haben dann gleich den Diebstahlschutz mit dabei, und nur wenig Probleme bei Lesen, da bis auf ein paar Applikationen fast alles Stoff ist, und es deshalb keine Ablenkung gibt. Da wird sich RFID bald durchsetzen. “
Für Still ist laut Klünder RFID auch eine interessante Technologie, die bei vielen Dingen, bei vielen Prozessen Sinn mache, bei vielen eben aber nicht: „Es kommt wirklich immer darauf an, zu schauen, was ist die Aufgabe beim Kunden, was ist die richtige Technik dafür. Wenn RFID die richtige Technologie ist, prozessintegrativ wirklich vom Anfang bis Ende den Prozess abzubilden, warum nicht? Aber es muss klar sein, das die IT-Strukturen drauf angepasst und der ganze Prozess drauf ausgerichtet werden muss. Man muss den Nutzen hinter dieser Technologie sehen. Wenn dieser in Abhängigkeit vom Invest da ist, macht es durchaus Sinn, RFID einzusetzen.“
„Wir werden weiterhin mit den RFID-Chips leben, im Warenausgang ebenso wie in der Intralogistik,“ resümiert Habryka: „Wir beschäftigen uns im Rahmen der Kundenprojekte dann mit der Optimierung. Das werden wir tun müssen. Egal, ob das jetzt schon irgend einen Effekt gibt oder nicht. Da ist es einfach wichtig, die kleinen Feinheiten eines solchen RFID-Projektes zu kennen. Denn es hört sich alles erst so einfach an – man nimmt einen RFIDChip, beschreibt ihn und dann wird alles funktionieren. Man muss schon die richtige Kombination zwischen Chip und Scanner-System hinbekommen. Das muss vorbereitet werden, was wir auch weiterhin tun, um dann zum richtigen Zeitpunkt die richtige Technologie einsetzen zu können. Aber auf der anderen Seite wollen wir auch unsere Systeme so weit vorbereitet haben, dass es für uns kein Neuland mehr ist, sondern ein reiner Service, den wir dem Kunden anbieten können. Und deshalb werden wir uns weiter mit RFID beschäftigen. Und ich glaube auch in drei, vier Jahren wird es eine Vielzahl an Kunden geben, die das auch durchgängig einsetzen werden. Dann wird man so weit sein.“
RFID als Zukunftstechnik Laut Bücker hat Craemer, zumindest für die Ladungsträger, das derzeit richtige System in puncto Rückverfolgbarkeit oder eine Ansteuerung von Fördertechniken ausgewählt: „Wir beobachten natürlich auch, wie sich die ganze Thematik entwickelt. Für uns ist wichtig, dass Standards geschaffen werden. Ohne Standards gibt es nur Insellösungen. Heute sind wir mit unseren Systemen in geschlossenen Kreisläufen unterwegs. RFID ist eine Zukunftstechnik, die in verschiedenen Bereichen weiter ausgebaut werden wird, und zwar – da bin ich mir sicher – über den Ladungsträger hinaus.
Nach Hofers Meinung muss man aber letztendlich gerade bei Ladungsträgern unterscheiden, ob diesen immer von Haus aus ihr Ziel mitgeben werden kann oder nicht: „ Eine Palette zu adressieren ist machbar, wenn derjenige, der die Palette auf die Reise schickt, genau sagen kann, ich will zu diesem oder jenem Ziel. Ich denke, dass es sich bei kleineren Applikationen durchsetzen könnte. Bei größeren, bei denen ich selber entscheiden will, wann ich was auslagere, wann ich welchen Auftrag starte, auf welche Rampe ich das flexibel zuordnen will, sollte nicht der Ladungsträger entscheiden, weil man einfach dann zentral zu wenig steuernd eingreifen kann. Dann brauchen Sie trotzdem einen Anstoß von irgendwo her, der sagt, ich habe jetzt einen Auftrag, das wieder auszulagern. Das können Sie der Palette nicht mitgeben. Das muss von einer übergeordneten Instanz kommen.
Ich kann mir einzelne Dinge schon vorstellen, aber generell muss eine Instanz vorhanden sein, die vorgibt, das bestimmte Dinge in diese oder in jene Richtung gehen oder das die Ware in diesem oder jenem Bereich eingelagert werden muss. Sie brauchen also trotzdem ein zentrales System. Weil bei der Einlagerung sehr oft nicht klar ist, wann wird ausgelagert, wie wird ausgelagert, was wird an Zusatztätigkeiten da noch gemacht. Bis zu einem gewissen Grad können Sie dem Ding sicher die Intelligenz mitgeben. Aber es wird trotzdem zentrale Entscheidungen geben müssen. Weil, wenn Sie angeliefert bekommen, ist noch nicht immer entschieden, was Sie mit der Ware machen. Und deswegen ist es schwer, dem Ladungsträger das mitzugeben. Gewisse Informationen kann man schon mitgeben. Ich glaube es werden eher sicherheitsrelevante Informationen sein, wie etwa mit gewissen Paletten nie in einem 5°C-Bereich. zu fahren oder ähnliches.
Paul Craemer GmbH, E-Mail: info@craemer.de, www.craemer.de Fiege Deutschland GmbH & Co. KG, E-Mail:info@fiege.com, www.fiege.de Knapp Logistik Automation GmbH, E-Mail: sales.de@knapp.com, www.knapp.com Still GmbH, E-Mail: info@still.de, www.still.de