Titelgeschichte materialfluss 5/2019
Fest- und Flüssigstoffe sicher unter Dach und Fach
In Bubendorf bei Basel hat die Bachem AG, ein auf Peptid-Chemie spezialisiertes Unternehmen, ein neues Zentrallager in Betrieb genommen. Unterteilt ist die Anlage in zwei Sektionen. Während das vollautomatische Hochregallager für Feststoffe weitestgehend unter regulären Bedingungen betrieben wird, ist im Flüssigstofflager die sachgerechte Lagerung und Handhabung leichtentzündlicher Stoffe gewährleistet. Stöcklin Logistik hat das Projekt als Partner begleitet.
Matchmaker+
„Operational Excellence“ ist eine Maxime, der sich die Bachem AG verschrieben hat. Folgerichtig legt das Unternehmen auch Wert auf Qualität und Innovation – sowohl in der Produktion als auch in der Logistik. „Die Projektaufgabe war, ein Lagergebäude im Zentralbereich des Firmenareals mit maximal realisierbaren Lagerkapazitäten zu errichten. Neben Lagerräumen für spezifische Lagerklassen (zum Beispiel Säuren oder Laugen) oder Lagerbedingungen (Stichwort Kühlzellen), haben wir uns für zwei vollautomatische Hochregallager entschieden – jeweils eines für Feststoffe und Flüssigkeiten. Diese bieten die Möglichkeit, Produkte gemäß den qualifizierten Bedingungen der Pharma-Richtlinien zu lagern, in Quarantäne zu setzen, freizugeben und bei minimalem Personaleinsatz ein Maximum an Produkten in dem uns zur Verfügung stehenden Raum zu lagern, erklärt Oliver Tretzack, Projektleiter bei Bachem. Da im Hochregallager Flüssigstoffe mit einem niedrigen Flammpunkt gelagert werden, wurden für dieses auch Ex-Schutz Anforderungen an die Betriebsmittel gestellt.
Referenzen überzeugen
Den Zuschlag zur Umsetzung erhielt die Stöcklin Logistik AG. „Entscheidend für die Auftragsvergabe war eine Vielzahl automatisierter Referenzanlagen, die in der Pharmaindustrie seit Jahren erfolgreich ihren Dienst verrichten, teils in explosionsfähiger Atmosphäre“, weiß Hans D. Koch, verantwortlicher Projektleiter auf Seiten des Schweizer Intralogistiksystem-
anbieters. Letzteres war auch beim Bau des Flüssigstofflagers zu berücksichtigen. Neben der Maschinenrichtlinie mussten sowohl die Vorgaben der Explosionsschutzrichtlinie als auch die Regularien der EMV-Richtlinie erfüllt werden, welche auf die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln zielt.
Schlanke und sichere Prozesse dank Automation
Nach Auftragsvergabe im Mai 2017 wurde das neue Gesamtsystem im Oktober 2018 abgenommen und in den Produktivbetrieb überführt. Im Feststofflager, in dem weniger kritische Waren als im Flüssigstofflager bevorratet werden, verfährt auf einer Länge von 20,4 Meter ein Paletten-Regalbediengerät MASTer-18T, das auf doppeltiefe Querlagerung ausgelegt ist und 468 Stellplätze bedient. Eine einmotorige 2-Zinken-Teleskopgabel sorgt dafür, dass die Paletten platzsparend auf Hutprofilen gelagert werden können. Ausgelegt ist das Regalbediengerät (RBG) für Traglasten bis 600 Kilogramm.
Die fördertechnische Anbindung des Hochregallagers (HRL) für Feststoffe ist im Erdgeschoss und im zweiten Obergeschoss identisch gestaltet. Einzulagernde Paletten werden mittels Handhubwagen in Längsrichtung auf eine hydraulische Ausgabehubvorrichtung aufgegeben und die Etiketten vom Bediener gescannt. Danach werden die Ladungsträger auf Förderniveau angehoben und durch eine Profilkontrolle hindurch bis zum Drehkreuz gefördert. Dort wird das Gewicht gemessen und erfasst. Sind diese Parameter in Ordnung, werden die Ladungsträger angehoben, um 90° gedreht und ins HRL gefördert. Während des Weitertransports ins HRL passieren die rundum geschlossenen Hygiene-Paletten ein Brandschutz-Schnelllauftor und werden an der Übergabestelle vom RBG übernommen. Die Auslagerung erfolgt analog über dieselben Förderelemente. Die Umschlagsquote beläuft sich im Schnitt auf 30 Paletten pro Stunde. Betrieben wird die Anlage über eine Dauer von zwölf Stunden an fünf Tagen in der Woche.
Ex-Schutz-Vorgaben durchgängig abgedeckt
Auf exakt diese Durchsatzleistung ist auch das Flüssigstofflager ausgelegt, allerdings waren dort etliche Restriktionen zu berücksichtigen. Infolge wurde die Anlage konform den Bestimmungen der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG), der Explosionsschutzrichtlinie (2014/34/EU) und der EMV-Richtlinie (2014/30/EU) ausgelegt. „Das dort im Einsatz befindliche Regalbediengerät wurde im Bodenbereich in Ex-Schutz Zone 2 ausgeführt, vom Boden bis zwei Meter Höhe“, berichtet Koch. Darüber hinaus sei eine Auslegung gemäß Temperaturklasse 4 erfolgt. Eine weitere Ex-Schutz-Zone befindet sich in der Vorzone des Hochregallagers im Erdgeschoss, vom Boden bis ein Meter Höhe. In diesem Bereich waren sowohl die Antriebe als auch die Sensoren und die Profilkontrolle Ex-geschützt auszuführen. Zudem wurden der dezentrale Elektroschrank, Bedienpulte und der Antriebsmotor für das im Flüssigstoffbereich befindliche Tor oberhalb der Ex-Schutzzone angebracht.
Die 260 Paletten-Stellplätze im Flüssigstofflager werden durch ein 17,7 Meter hohes und auf Lasten bis 1.400 Kilo ausgelegtes Regalbediengerät des Typs MASTer 24-DT mit fester 2-Zinken-Teleskopgabel für einfachtiefe Lagerung angefahren. Als Ladungsträger kommen Chemie-Paletten und Euro-Paletten zur Anwendung. Bei dem Ladegut handelt es sich um „Intermediate Bulk Container“ (IBC) verschiedener Höhenklassen aus Stahl oder Polyethylen, die zentrisch auf den Paletten aufgebracht sind. Infolge ist eine gleichmäßige Lastverteilung gewährleistet. Eine Besonderheit besteht darin, dass IBC-Behälter des Typs 1 (1.245 x 840 mm) mit einem Maximalgewicht von 1.400 Kilogramm auch ohne Unterpalettierung gefördert werden können. Typ 2 in Stahl- (1.220 x 1.020 mm) sowie Typ 3 in Polyethylen-Ausführung (1.200 x 1.000 mm), die jeweils 1.000 Liter fassen, werden hingegen unterpalettiert transportiert.
Bestandsverwaltung und Materialflusssteuerung
Die fördertechnische Anbindung des speziell für Flüssigstoffe konzipierten HRL wurde im Erdgeschoss realisiert. Somit können im Wareneingang zugeführte Paletten mithilfe von Elektrostaplern auf einen Kettenförderer mit starrer Paletten-Zentrierung für drei verschiedene Paletten-Typen aufgegeben werden. Nachfolgend werden die Breite der jeweiligen Palette gemessen sowie die Abmessungen der Ladung, der Paletten-Hohlraum und das Gewicht des Ladungsträgers überprüft. Sofern kein Fehler vorliegt, wird dieser umgesetzt und zur Aufnahme ins Hochregallager transportiert.
Software gibt den Takt vor
Taktgeber des neuen Zentrallagers ist praktisch das über eine Schnittstelle an SAP WM angebundene StöcklinWMS (Warehouse Management System) mit dem integrierten StöcklinWCS-Modul (Warehouse Control System). Es verwaltet die Bestände auf Hochregallager-Ebene vom Wareneingang bis zum Warenausgang. Berücksichtigung finden hierbei unter anderem auch Chargen, Haltbarkeitsdaten und Seriennummern. Der mit einer Visualisierung ausgestattete Materialflussrechner hingegen steuert den gesamten Materialfluss unter Berücksichtigung tagesaktueller Erfordernisse.
Brandschutzkonzept implementiert
„Ein speziell im Fall von Bachem nicht zu unterschätzendes Thema war auch der Brandschutz“, ergänzt Hans D. Koch. Sowohl das Feststoff- als auch das Flüssigstofflager sind mit Fluchtwegen ausgestattet sowie mit Sprinklern im Regal versehen worden. Ergänzend hat Stöcklin drei Brandschutz-Schnelllauf-Tore installiert. Diese wurden mit einem Notstrom-Batteriepaket ausgestattet. Durch den Bau des neuen Zentrallagers hat Bachem die für eine sachgerechte Handhabung von pharmazeutischen Vorprodukten und Wirkstoffen erforderlichen intralogistischen Prozesse unter einem Dach zusammengeführt und auch unter Sicherheitsaspekten weiter optimiert. „Die realisierte vollautomatische Systemlösung für die zeit- und bedarfsgerechte Versorgung der Produktion entspricht unseren Vorstellungen und auch der vereinbarte Terminrahmen wurde von Stöcklin eingehalten“, betont Bachem-Projektleiter Oliver Tretzack. „Das neue Hochregallager unterstützt unsere Wachstumsstrategie und wird dazu beitragen, unsere weltweit führende Position im Peptid-Markt weiter auszubauen.“