Modernisierung

Daniel Schilling,

Wernsing Feinkost wächst mit neuem Lagersystem

Am Wernsing-Stammsitz Addrup-Essen mit 1.150 Mitarbeitern hat Westfalia 2022 mit einem automatischen Kühllager und zwei automatischen Tiefkühllagern die Kapazität von bislang 60.000 Stellplätzen um rund 23.060 Stellplätze für Euro-, Industrie-, H3- und Einwegpaletten erweitert.

Durch die Modernisierung und Erweiterung der zentralen Intralogistik konnte Wernsing Feinkost die Kapazität am vorhandenen Standort deutlich erhöhen. © Wernsing Feinkost

Die Herausforderung, vor der Wernsing als Produzent von Kartoffelprodukten stand: saisonale Kartoffelernten vollständig zu verwerten, also geballt zu verarbeiten und an einem einzigen Standort bis zum Verkauf einzulagern. "Auf einer stark begrenzten Grundfläche sollte maximale Kapazität entstehen", beschreibt Fabian Spitz, Vertrieb Technologien & Systeme bei Westfalia, das Ziel. "Unsere mehrfachtiefen Kompaktlager haben einen Raumnutzungsgrad von ca. 95 Prozent, nutzen stark beschnittene Grundflächen optimal."

Die Herstellung von tiefgekühlten Kartoffelartikeln und ungekühlt haltbaren Lebensmitteln wird in der Regel in größeren Chargen realisiert. "Die Satellitenlager mit enormer Lagerdichte und Kapazität auf minimaler Fläche passen ideal zu unserer Sortimentsstruktur", bestätigt Alfred Kessen, Geschäftsführer Materialwirtschaft und Einkauf bei Wernsing Feinkost. "Die mehrfachtiefe Lagerung ist für uns wesentlich kostengünstiger als eine Einzelplatzlagerung."

Gegenüber mehrfachtiefer Lagerkonzepte anderer Anbieter überzeugte Westfalia mit seiner Antwort auf die strapaziösen Bedingungen für Ladehilfsmittel. "Über lange Zeit hohe Gewichte – in diesem Fall rund 1 Tonne schwere Einheiten mit Kartoffelprodukten – einzulagern, belastet Paletten enorm", so Fabian Spitz. "Dadurch biegen sie sich in Lagern mit Zweifachunterstützung durch, es kann zu Störungen kommen. Mit der Kombination einer Dreifachauflage – einer zusätzlichen Mittelschiene in den Lagerkanälen – und dem Lastaufnahmemittel Ketten-Satellit ermöglichen wir lange Standzeiten bei hoher Verfügbarkeit der Anlage." Die für die speziellen Lagerprofile geteilten Satelliten "fahren sehr materialschonend unter die Palette und nehmen diese auf. Die Palette ändert dabei nicht die Position. Das erlaubt zudem höhere Dynamiken bei der Ein- und Auslagerung", betont Fabian Spitz.

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Zurückgreifen konnte Westfalia bei der Konzeption auf eine besonders große Bandbreite verschiedener Satelliten für den Transport einzelner oder mehrerer Ladeeinheiten auch ungewöhnlicher Formate, statt auf wenige Standard-Shuttle angewiesen zu sein. Spitz: "Mit diesem Baukasten können wir unsere Lagersysteme auf jede Anforderung feinjustieren."

Lagerautomatisierung trägt zur Klimaneutralität bei

Als erstes Unternehmen der kartoffelverarbeitenden Industrie in Deutschland wirtschaftet Wernsing seit Oktober 2020 zertifiziert klimaneutral. Ein Prozess, der schon 2002 angestoßen wurde. Durch Standortklimabilanzierungen mit dem zertifizierten Beratungsunternehmen ClimatePartner wird der Status jährlich überprüft und optimiert. "Wir versuchen stetig, Emissionen zu verringern und zu vermeiden. Und kompensieren sie durch Klimaschutzprojekte von Climate Partner", so Alfred Kessen. Generalunternehmer Westfalia lieferte mit den Hochregallagern in gleich mehrfacher Hinsicht einen entscheidenden Baustein zum nachhaltigen Wachstum des Nahrungsmittelproduzenten.

"Bei unseren Investitionsentscheidungen nehmen wir eine ganzheitliche Betrachtung vor", sagt Alfred Kessen zur Auftragsvergabe. "Wir betrachten unsere Investitionen ökonomisch, ökologisch, sozial und energetisch im Rahmen unseres Energiemanagementsystems, für das wir bereits 2013 gemäß DIN EN ISO 50001 zertifiziert worden sind. Das gewählte Lagersystem hat uns auch in Kombination mit den energieeffizienten Regalbediengeräten überzeugt." Diese verfügen über intelligente Antriebssteuerungen für den Energieausgleich zwischen Fahr- und Hubachse – Bremsenergie wird zum Beispiel als Hubenergie zur Verfügung gestellt – sowie Strom ins System zurückgespeist. Auch das Lagerlayout senkt den Energieverbrauch. Denn die mehrfachtiefen Lager kommen mit nur drei Lagergassen und Fahrzeugen im Standby aus, und die hohe Lagerdichte reduziert den zu kühlenden Raum. Die Logistik konnte durch die hohe Kapazität am Standort wirtschaftlich und ressourcenschonend gebündelt werden.

"Im Rahmen unseres kontinuierlichen Wachstums haben wir bislang zunehmend externe Lagerkapazitäten genutzt. Große Warenmengen mussten aus logistischen Gründen wieder in unser Zentrallager zurückgeführt werden", schildert der Geschäftsführer Materialwirtschaft und Einkauf. "Wernsing verfügte zuvor schon über 60.000 Stellplätze zur Bevorratung mit Lebensmitteln. Mit der Erweiterung um rund 23.000 Stellplätze, automatisiert mit flächen- und energiesparender Satellitentechnologie, können wir die Lagerung und Versandlogistik mit vereinfachten Prozessen und sehr effektiv direkt vom Produktionsstandort aus leisten."

Ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

"Dass das automatische Lagersystem Lagerprozesse effizienter und sicherer macht, war auch bei der sozialen Betrachtung wichtig", betont Kessen. "Wir stellen uns mit den automatischen Lagern dem Fachkräftemangel und den herausfordernden Arbeitsbedingungen im Tiefkühlbereich. Wir wollten den Personalbedarf zur Ein- und Auslagerung geringhalten und zugleich die Arbeitsbelastungen senken."

Ein besonderes Feature der Westfalia-Lager sind zudem die Wartungslifte an den Regalbediengeräten (RBG). In den extremen Kühl- und Tiefkühl-Lagerumgebungen, die außerdem für den Brandschutz inertisiert sind, entlasten die Lifte das Personal. Fabian Spitz: "Sie ermöglichen den Servicemitarbeitern, kraftsparend jeden Punkt in den 29 Meter hohen Lagern zu erreichen."

Westfalias Projektplaner und Ingenieure fanden gemeinsam mit Wernsing die ideale Balance zwischen Kompaktheit und Zugriffsfrequenz. Die Zugriffshäufigkeit fällt geringer aus als bei Einzelplatzlagern, bietet sich aber bei sortenreinen Kanälen und längeren Lagerzeiten an. Insgesamt 17.360 Plätze für Euro-Paletten bieten die beiden 56,5 Meter langen, 29 Meter hohen und 62,2 Meter bzw. 41,6 Meter breiten TK-Lager für bis zu 1.050 kg schwere Ladeeinheiten. Das 61 Meter lange, 9,2 Meter breite und 29 Meter hohe Kühllager kommt, gemessen an Industriepaletten, auf 2.988 Stellplätze für bis zu einer Tonne schwere Ladeeinheiten. Insgesamt ist, je nach Formaten, für bis zu 23.066 Einheiten Platz. "In jedem Lager setzen wir ein Regalbediengerät mit einem Ketten-Satellit für die Quereinlagerung ein", sagt Carsten Lüdeking, zuständiger Projektmanager bei Westfalia. "Die drei Regalbediengeräte leisten gemeinsam bis zu 184 Palettenbewegungen pro Stunde."

Eine weitere Besonderheit sei die enorme Flexibilität des Lagerlayouts. "Die beiden TK-Lager wurden um 20° gedreht an das Kühllager gebaut, um die Grundstücksgrenze zu berücksichtigen." Der zur Verfügung stehende Raum wurde mit abgestuften Kanaltiefen optimal genutzt. 24 Stellplätze stellt der tiefste Lagerkanal bereit.

Nahtlos in den Bestand eingepasst

Die eigengefertigten RBG wurden inklusive SPS geliefert. Integriert wurde das Lagersystem in ein bereits bestehendes automatisiertes Materialflusssystem eines Marktbegleiters. Lüdeking erläutert: "Wände, Regale und Dach der Neuanlage in selbsttragender Silobauweise hat Westfalia integriert und die Anlage softwareseitig an eine bereits bestehende Logistiksoftware angebunden."

Die Elektrohängebahn des Bestandsystems, die die Einheiten aus der Produktion zu den Lagern – oder von dort zum Versand – transportieren, ist über Paare L-förmiger Ein- und Auslagerstränge des Westfalia-Systems an jede der drei Lagergassen angebunden. Nach einer Konturenkontrolle passieren die Paletten auf den Förderern je eine Schleuse mit vertikalen Toren. Diese Schleusen schirmen die für den Brandschutz sauerstoffreduzierten Lager ab. Die Förderer transportieren die Paletten jeweils auf einen Drehtisch, der sie für die Übergabe an die RBG zur Gasse dreht. Die Auslagerstränge sind entsprechend aufgebaut.

Realisiert hat Westfalia das Projekt ab Dezember 2020, im Juni 2022 gingen die neuen Lager in Betrieb, Ende Oktober waren sie mit Produkten aus der aktuellen Kartoffelernte gefüllt. Die Produkte lagern dort bis zum vollständigen Verkauf.

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 7/23

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