Förder- & Hebetechnik
Caffè Latte: Auf der Hängebahn ins Kühllager
Unterbrechungen im Fertigungsablauf sind störend. Schließlich heißt es ja „Materialfluss“. Daher müssen fördertechnische Veränderungen - oft parallel zum laufenden Betrieb - zügig über die Bühne gehen und auf Anhieb funktionieren. So wie die vollautomatisierte Elektrohängebahn, die Eisenmann beim Milchproduktehersteller Emmi installierte. Sie verbindet die Produktion über eine Traverse mit dem Kühllager.

Pausenlos laufen befüllte und verschlossene Becher des bekannten Kaffee-Milchgetränks Emmi Caffè Latte in mehreren Reihen vom Band. In Stellagen mit jeweils 160 Bechern werden sie aufeinander gestapelt, bevor ein Vertikalförderer die Paletten nach oben bis unter die Hallendecke fährt. Dort übernimmt das von Eisenmann konzipierte, auf dem Hallendach installierte Elektrohängebahnsystem das Packgut und den Transport zum benachbarten Kühllager. Vollautomatisch, 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, praktisch wartungs- und ausfallfrei.
Die Emmi Gruppe mit Hauptsitz in Luzern ist die größte Milchverarbeiterin der Schweiz und machte sich mit einem breiten Sortiment an Käse, Joghurt, Desserts, Drinks und weiteren Milchprodukten weltweit einen Namen. Am größten Schweizer Standort in Ostermundigen produziert Emmi überwiegend Frischprodukte. Die meisten davon müssen auf ihrem Weg zur Auslieferung gekühlt gelagert werden. Pro Jahr werden allein hier, vor den Toren Berns, 350.000 Paletten mit gekühlter und 65.000 Paletten mit ungekühlter Ware sowie 30.000 Paletten mit Handelsware umgeschlagen.
Themen im Artikel
Die richtigen Weichen stellen
Die Spezialisten von Eisenmann Conveyor Systems bieten individuell passende Lösungen für jede Materialfluss-Aufgabe. Dazu gehört die gesamte moderne Fördertechnik mit Elektrohängebahn- und Elektrobodenbahnsystemen sowie Komplettlösungen für Fertigung, Montage, Lager und Versand. Bodengestützte Fördersysteme beispielsweise realisieren mit ausgeklügelter Weichentechnik Abzweigungen in alle Richtungen, jedes der einzeln angetriebenen Fahrwerke verfügt über eine eigene Steuerung, die den gesamten Ablauf kontrolliert.
Neukonzeption des Materialflusses
2013 beschloss Emmi, in Ostermundigen ein früheres Lager als Produktionshalle zu nutzen. Damit einher gingen bauliche sowie gebäudetechnische Umbaumaßnahmen, die Optimierung von Produktionsprozessen, eine Neukonzeption des internen Materialflusses sowie der Distributionslogistik. Darüber hinaus sollte ein zuvor als Hochregallager genutztes Gebäude zu einem Kühllager umgebaut werden, bei gleichzeitiger Erhöhung der Lagerkapazität und der Ein- und Auslagerleistung. Damit stand auch der Neubau einer leistungsfähigen fördertechnischen Anbindung an, von der Bereitstellungsebene am Ende der Produktionslinie bis zum neuen Kühllager.
Umstellung „on the fly“

Der bis dahin überwiegend manuelle Abtransport per Hub- und Gabelstapler sollte künftig, so eine Anforderung von Emmi, vollautomatisch und der Produktionsleistung entsprechend flexibel erfolgen. Die Aufbau- und Installationsphase durfte den laufenden Produktionsbetrieb nicht beeinträchtigen. Am Tag der Inbetriebnahme musste „on the fly“ vom alten aufs neue System umgestellt werden. Daraus sowie aus Platzgründen entstand die Idee, das Transportsystem über das Dach der Produktionshalle und über eine so genannte Passerelle (Steg) zum Kühllager zu führen.
Mit der Ausschreibung hatte Emmi die W+P Weber und Partner AG im schweizerischen Wil beauftragt. Das Unternehmen löst Logistikaufgaben für Kunden vorwiegend aus den Bereichen Gewerbe und Industrie. Augenmerk legen die Planer auf praxisnahe und wirtschaftliche Lösungen. „Gemeinsam mit unserem Auftraggeber Emmi haben wir uns für Eisenmann entschieden. Aufgrund seiner umfassenden Kompetenz, erstklassigen Referenzen und nachgewiesener Termintreue waren wir uns sehr sicher, damit den richtigen Partner im Boot zu haben“, sagt Beat Hagen von W+P Weber und Partner.
Materialfluss zuerst am Rechner simuliert
Fünf Monate nach der ersten Anfrage, im Mai 2014, sollte mit der Installation begonnen werden. „Um uns ein klares Bild zu machen und mögliche Risiken bereits im Vorfeld zu minimieren, simulierten wir nach der Zusage die Materialflüsse zunächst komplett am Rechner“, erinnert sich Gerrit van der Vlist, Manager bei Eisenmann Conveyor Systems.
Die Verbindung des Produktions- zum Lagergebäude wurde über ein Elektrohängebahnsystem mit 350 Metern Streckenlänge hergestellt. Hat der Vertikalförderer das palettierte Packgut nach oben geschafft, steht dort eines von insgesamt 16 Fahrwerken zur Aufnahme bereit. Per Sensoren tauschen sich beide Seiten über die korrekte Übernahmeposition aus. Ein Tragkettenförderer übergibt die Palette an das Fahrwerk. Per mitfahrendem Tragkettenförderer gelangt die Palette sicher ins Hochregal-Kühllager. Das komplette Transportsystem ist eingehaust und klimatisiert, damit die Kühlkette nicht unterbrochen wird. Die Leistung des Elektrohängebahnsystems beträgt 170 Paletten pro Stunde.
Die Ingenieure von Eisenmann planten die komplette Anlage, entwarfen Systemelemente und Fahrwerke. Das Böblinger Unternehmen verantwortete außerdem die Entwicklung der Steuerung, die Montage, das Ramp-up und den Produktivstart. Seit August 2014 läuft die Anlage reibungslos im Dauerbetrieb. Das System ist wartungsarm, Arbeiten an den einzelnen Fahrwerken erfolgen in regelmäßigen Abständen. Da für die Förderleistung nur 15 der 16 Fahrwerke benötigt werden, bleibt die Transportkapazität der Elektrohängebahn und die Produktivität von Emmi in vollem Umfang erhalten, auch wenn ein Fahrzeug für Wartungsarbeiten ausgeschleift wird.
Sven Heuer
Kontakt:
Emmi Management AG 6002 Luzern, Schweiz Tel. 00 41 / 58 / 227 50 66 E-Mail:
Eisenmann SE 71032 Böblingen Tel.: 0 70 31 / 78-0 E-Mail: info@eisenmann.com www.eisenmann.com