FTS
Technik-Trend FTS - Mehr Freiheit bei der Navigation
FTS haben sich in vielen Einsatzfeldern einen festen Platz erobert. Ein aktueller Trend ist der Wunsch der Anwender nach größerer Freiheit beim Navigieren: Feste Spurführungen sind out, das Fahrzeug soll am besten selbst seinen Weg auch an Hindernissen vorbei finden.
Das waren noch Zeiten: In den 80er Jahren gehörte es für ein modernes Produktionsunternehmen zum guten Ton: mindestens ein Fahrerloses Transportsystem. Bei Fimenrundgängen konnte man damit Kunden und Banken stark beeindrucken, die namhaften Staplerhersteller waren in diesem Feld tätig und mancher Materialfluss-Experte sah schon die „mannlose Fabrik“ und das Ende des guten alten Gabelstaplers nahen.
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Heute ist die Begeisterung einer realistischen Sicht der Dinge gewichen: Die Anwender von fahrerlosen Transportsystemen stellten fest, dass sie die Kosten eines solchen Systems teilweise unterschätzt hatten und dass diese zudem mehr Flexibilität benötigen als ursprünglich gedacht. Gabelstapler und Lagerhaus-Geräte sind nach wie vor sehr lebendig, und FTS haben sich immerhin in definierten Einsatzfeldern etabliert. Denn die Anwender wissen: Warentransport und Montage stellen eine der wichtigsten Wertschöpfungs- Positionen dar, und hier können oft noch am ehesten Kostenreduzierungen erreicht werden – zum Beispiel durch die Automatisierung per FTS.
FTS zum Kampfpreis Allerdings wurden die Geräte in den vergangenen Jahren teilweise erheblich abgespeckt und mit Standardkomponenten aus den Regalen der Zulieferer ausgerüstet, damit die Investition in FTS-Technik geringer ist. Das beste Beispiel für diese Strategie gibt wohl die S-Elektronik GmbH mit ihrem „E-Jet“. Dieses einfache FTS für Zuladungen bis 250 kg wird zu Preisen ab 5 990 Euro angeboten. Es kann mit Aufbauten „von der Stange“ wie Gitterboxen und Werkschränken ausgerüstet werden. Auch die Sicherheitsvorkehrungen sind einfach, aber wirkungsvoll: Ein Ultraschallsensor detektiert Hindernisse und löst eine Signalhupe aus. Wird der Weg nicht geräumt, bleibt das FTS hupend stehen.
Zusätzlich wird der Antriebsstrom abgeschaltet, wenn der Bumper an der Frontseite des Fahrzeugs auf ein Hindernis trifft. Das „TransCar“ von Telelift ist mindestens eine FTSKlasse höher angesiedelt und bewährt sich zum Beispiel im automatisierten Materialtransport von Krankenhäusern. Dank seiner flachen Bauform ist es auch in vielen Bereichen der Produktion einsetzbar. Hier transportiert es kleine bis mittelschwere Lasten, übernimmt die Materialanlieferung am Fertigungsort oder den Weitertransport der fertigen Ware zum Versand. Einige Referenzprojekte gibt es auch im Kommissionierlager, wo das TransCar-System ein wertvoller Partner ist.
Während sich der Mitarbeiter auf die Kernaufgabe des Kommissionierens konzentriert, begleitet sie das beförderte Ladehilfsmittel automatisch durch die Regalreihen. Diese Aufgabe kann künftig vielleicht sogar nochmals vereinfacht werden: An der Universität Hannover arbeitet man einem Projekt „Personenverfolgung mit FTS“, bei dem ein frei navigierendes FTS einer Person folgt. Wenn solche Fahrzeuge die Serienreife erreichen, ergeben sich neue Möglichkeiten in der Kommissionierung. Das Personal kann sich dann auf die Entnahme der Artikel konzentrieren; ist ein Auftrag abgeschlossen, fährt das FTS selbsttätig zum Abgabepunkt. So spart man Zeit und gewinnt an Flexibilität.
Hilfe bei Service und Instandhaltung Dass FTS nicht nur in der automatisierten Produktion und im Lager arbeiten, sondern auch bei Service und Instandhaltung sinnvoll eingesetzt werden, zeigt die niederländische NedTrain, die sich auf die Wartung und Instandhaltung von Schienenfahrzeugen spezialisiert hat. Das Unternehmen hat kürzlich eine neue Wartungshalle in Betrieb genommen, in der auch internationale Züge wie der ICE gewartet werden. Das Gebäude, das vier Ganzzüge aufnimmt, ist 232 m lang und 45 m breit. Die Wege sind also lang, und da die Züge in feste Fahrpläne eingebunden sind, stehen nur begrenzte Zeiten für die Wartungsarbeiten zur Verfügung. Nach intensiver Prüfung entschied sich NedTrain für den Einsatz von FTS als Versorgungsfahrzeuge.
Sie stellen die Ladungsträger am Verbauort bereit. Da die Versorgungsgänge schmal sind, ist ein spezielles Fahrzeugkonzept erforderlich: ein Seitenstapler mit Schubmast von Frog AGV Systems. Diese Seitenstapler fahren in den Versorgungsgängen immer nur vor- oder rückwärts, ohne dabei zu wenden, und übergeben oder übernehmen die Last seitlich per Schubmast: eine zwar aufwändige, aber sehr effektive Lösung. Die beiden FTS fahren frei navigierend und referenzieren sich an einem Magnetraster. Ihre Transportaufträge erhalten sie von einem übergeordneten Steuerungssystem oder direkt über Eingaben an einem Touchscreen. Die Fahrzeuge planen ihre Fahrwege selbst und suchen dabei die schnellste und beste Verbindung zwischen dem Lager und den Stellplätzen der Versorgungsgänge. Eine Prioritätenregelung optimiert die Wege.
Bleichert stellt schon seit einigen Jahren FTS mit rein induktiver Energieübertragung und induktiver Spurführung her und hat inzwischen mehr als 300 dieser Montarail-Fahrzeuge gebaut. Der Verzicht auf die Batterie führt dazu, dass die Geräte leichter sind und sich auch für den Dreischichtbetrieb eignen. Die Fahrstrecken lassen sich flexibel gestalten, es sind gerade Strecken, Kurven, Weichen und Bypass-/Stichstrecken möglich. Die jeweiligen Halteplätze sind durch Transponder und ein jeweils in das Fahrzeug integriertes Wegmesssystem einfach und flexibel festzulegen; die Kommunikation erfolgt über W-Lan. Sämtliche Fahrzeuge sind berührungslos selbst aufpuffernd, wobei ein Laserscanner oder eine Abstandslogik für den Abstand sorgen.
Die gepufferten Fahrzeuge lösen ihren Stau automatisch selbst auf und lassen sich per Knopfdruck an jeder beliebigen Stelle stoppen und starten. Da bei kleinen Fahrzeugstückzahlen und mehreren Auf-, Ab- und Übergabe- Positionen der Kostenaufwand für die induktive Energieübertragung sehr hoch wird, hat Bleichert nun als Alternative eine „hybride“ Energieversorgung entwickelt: Auf dem Hauptkurs werden die FTS induktiv mit Energie versorgt. Dabei lädt die Energiespur zugleich eine Pufferbatterie, die immer dann in Aktion tritt, wenn das Fahrzeug die Hauptspur verlässt. So kann man die Freiheit der batteriegestützten Energieversorgung nutzen, ohne dass man spezielle Ladestationen anfahren muss. Die Spurführung wird hier optisch realisiert, um beliebige Strecken durchfahren zu können. Natürlich sind die einzelnen Fahrzeuge durch die „doppelte“ Energieversorgung teurer, aber dies wird nach Angaben von Bleichert durch den einfacheren Hauptkurs mehr als kompensiert: Bei wenigen Fahrzeugen mit komplexem Fahrkurs soll die Hybridtechnik Kostenvorteile bieten.
Umrüstung konventioneller FTS Einige FTS-Anbieter haben Fahrzeuge im Programm, die auf konventionellen Flurförderzeugen basieren und mit Navigations- und Sicherheitssystemen ausgerüstet werden. Siemens bietet mit dem „Autonomous Navigation System“ ein solches Umrüstungspaket an. Das Einprogrammieren des Fahrwegs erfolgt ganz einfach per Teach-in: Eine manuelle Lernfahrt genügt, und das FTS kennt seinen Kurs. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Transportwege sich häufiger ändern. Die Bestimmung des Fahrkurses erfolgt per 3D-Lasernavigation an natürlichen Landmarken. Bei Staplern werden Positioniergenauigkeiten von +/- 30 mm erreicht, bei Lagerhausgeräten sind es +/- 5 mm.
Ein solches freies Navigieren steht auf der Wunschliste vieler FTS-Anwender, und die Hersteller entwickeln entsprechende Systeme, die nochmals größere Freiheiten bieten. Bei Egemin arbeitet man zum Beispiel an einer automatischen Lkw-Beladung auf FTS-Basis, bei denen das mit Sensorik und Kamera ausgestattete Fahrzeug selbsttätig den richtigen Platz zum Positionieren der Palette im Laderaum findet. Hier kommt den Herstellern zugute, dass in anderen Feldern der Industrie an ähnlichen Problemen gearbeitet wird: In der Automobilindustrie ist das autonome Fahren ein Zukunftsthema, und in der Robotik wird es künftig Service- und Asistenz-Roboter geben, die nicht mehr hinter schützenden Umzäunungen arbeiten, sondern frei im Raum navigieren und Hindernisse selbsttätig erkennen und umfahren.
Freies Navigieren nach neuen Prinzipien Eine zentrale Frage bei der FTS-Entwicklung ist die Art der Navigation Sky-Trax hat für diese Aufgabe eine neue Technologie namens „Indoor Position Sensing (IPS)“ entwickelt. Das Fahrzeug ist hier mit einem Bildverarbeitungssystem ausgestattet, das auf die Hallendecke gerichtet ist und zehnmal pro Sekunde eine Aufnahme macht. Anhand der Bilder kann das System laut Sky-Trax zentimetergenau die Position und die Bewegung des Flurförderzeugs im Raum erfassen – als eine Art miniaturisiertes GPS liefert es somit zuverlässige Daten für die Navigation. In einem ersten Feldversuch wurde ein vorhandenes FTS in einem Distributionszentrum umgerüstet. Mit dem IPS-System war es in der Lage, frei im Raum zu navigieren und Paletten aufzunehmen sowie im vorgesehenen Regalfeld abzusetzen.
Bleichert Förderanlagen GmbH, E-Mail: info@bleichert.de, www.bleichert.de
Frog AGV Systems GmbH, E-Mail: info@frog-fts.de, www.frog-fts.de
S-Elektronik, E-Mail: office@s-elektronik.de, www.s-elektronik.de
Siemens AG Industry Automation, www.siemens.de/automation
Swisslog-Telelift GmbH, E-Mail: healthcare.de@swisslog.com, www.telelift.de