Förder- & Hebetechnik

Viel Speed in der Fördertechnik

Immer höher, immer schneller: Wohin geht die Reise in der Fördertechnik, welche Trends und Entwicklungen treiben die Branche um? Über diese Fragen diskutierten Experten beim materialfluss Round Table im Hotel Bader in Vaterstetten bei München.

Gruppenbild
Das Gruppenbild geriet unerwartet zu einer Schau modern-eleganter Männerschals, zu sehen sind von links: Volker Welsch, Frank Apel, Klaus Hiemer, Jens Karolyi, Walter Müller, Ulrich Schlosser und Martin Schrüfer. Fotos: Thilo Härdtlein

Ihr profundes Branchenwissen brachten ein: Volker Welsch, Vertriebsleiter und Prokurist bei der psb intralogistics GmbH in Pirmasens, Ulrich Schlosser, Prokurist und Mitglied der Geschäftsleitung der Witron Logistik + Informatik GmbH in Parkstein, Walter Müller, Leiter Projektierung und Verkauf sowie Prokurist bei der FAB Fördertechnik und Anlagenbau GmbH in Waldshut-Tiengen, Frank Apel, Mitglied der Geschäftsleitung der Gebhardt Fördertechnik GmbH in Sinsheim, und Jens Karolyi, Senior Vice President Corporate Marketing & Culture der Interroll Worldwide Group in Sant‘ Antonio in der Schweiz.

Teilnehmer des materialfluss Round Table
Im Dialog: Die Teilnehmer des materialfluss Round Table diskutierten die Entwicklungen für moderne Fördertechnik.

„In welche Richtung entwickelt sich die Fördertechnik?“, wollte materialfluss-Chefredakteur Martin Schrüfer eingangs wissen. Nach Einschätzung von Volker Welsch muss moderne Fördertechnik hochflexibel sein. Entwicklungen wie same day delivery forderten geeignete Konzepte, um Aufträge schnell und reibungslos abzuwickeln. Dabei gehe es nicht nur darum, mehr Speed auf die Fördertechnik zu bringen. Diesbezüglich stoße man an Grenzen. „Irgendwann fliegt uns noch die Tasse in der Kurve aus der Kiste.“ Eine wichtige Rolle spielten die Themen Software und Digitalisierung. „Wir müssen uns bemühen, beispielsweise die Kommissionierung intelligenter zu gestalten, um schnelle Prozesse umzusetzen“, sagte er. Es gelte, den Materialfluss zu optimieren, da die Fördertechnik immer näher an das Produktionsumfeld rückt. In diesem Zusammenhang sieht er das Thema Industrie 4.0 als Technologietreiber. Ähnlich argumentierte Ulrich Schlosser. „Wir sind gefordert, neue Ideen umzusetzen. Zeitgemäße Fördertechnik muss modular, flexibel und skalierbar sein.“ Er sieht auch den Trend, zunehmend Informationen aus laufenden Anlagen zu sammeln – Stichwort Big Data: „Der künftige Rohstoff sind die Daten“, sagte er.

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Walter Müller
„Automation muss modular, flexibel und skalierbar sein.“

Walter Müller FAB

Produktion und Logistik wachsen zusammen

Auch Walter Müller hält eine anpassungsfähige Fördertechnik für notwendig, um Kundenwünsche präzise und schnell zu erfüllen. Dabei gelte es ebenso, das Thema Industrie 4.0 voranzutreiben und beispielsweise die Be- und Entladetechnik einzubeziehen. In diesem Zusammenhang könnten fahrerlose Lkw-Systeme und Shuttle-Lösungen eine größere Rolle spielen. Frank Apel sieht – im Gegensatz zu Volker Welsch – noch Luft nach oben, was die Leistungsfähigkeit der Fördertechnik anbelangt. „Wir haben beobachtet, dass es immer noch ein wenig schneller geht“, meinte er. Ähnlich wie seine Vorredner hält auch Apel einen flexiblen Systemaufbau für sehr wichtig. „Unsere Kunden fordern modulare und skalierbare Systeme.“ Einen Technologieschub habe es unterdessen in den vergangenen Jahren bei den Fahrerlosen Transportsystemen (FTS) gegeben. „Diese Technologie ist weiterentwickelt worden. Sie ist zuverlässig und flexibel und bietet den Kunden einen echten Mehrwert.“

Branchentalk mit Humor
Branchentalk mit Humor: beim materialfluss Round Table wird mitunter auch gelacht.

Intralogistik-Experte Frank Apel beobachtet ein stärkeres Zusammenwachsen von Produktion und Logistik. „Wir erhalten zunehmend Projekt-Anfragen aus dem Produktionsbereich mit dem Wunsch, die Fertigung stärker an Lagersysteme anzubinden“, beschreibt er. Viel Bewegung sieht Jens Karolyi in der Fördertechnik. „Ich habe vielmehr den Eindruck, die Branche wacht auf.“ Nach seiner Beobachtung findet derzeit eine grundlegende Konsolidierung statt. „Es entstehen zunehmend Kooperationen zwischen Unternehmen, wobei sich die Partner auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen konzentrieren, um effizient zu sein“, skizzierte er.

Frank Apel
„Wir haben beobachtet, dass es immer noch ein wenig schneller geht.“

Frank Apel Gebhardt Fördertechnik

Fachkräftemangel gravierender als je zuvor

Weitgehend einig waren sich die Teilnehmer über den Fachkräftemangel quer durch alle Berufsgruppen. „Wir suchen händeringend Leute“, brachte es Jens Karolyi auf den Punkt. „Dieses Thema hat ein neues Level erreicht“, pflichtete Volker Welsch bei. Er kennt Kunden, die ihre Standortentscheidung revidiert haben, weil in der ursprünglich gewählten Region bereits Wettbewerber ansässig waren und der Arbeitsmarkt leergefegt war. „Die haben sich dann für einen anderen Sitz entschieden.“

Ulrich Schlosser
„Wir sind gefordert, neue Ideen zu entwickeln.“

Ulrich Schlosser Witron Logistik + Informatik

Als Konsequenz aus diesem Dilemma kann sich Ulrich Schlosser vorstellen, die Mensch-Maschine-Kooperation voranzutreiben. „Es gibt durchaus Tätigkeiten, die Maschinen übernehmen können – etwa in der Kommissionierung.“ Unternehmen der Fördertechnik-Branche – auch darin waren sich die Experten einig – müssen heute schwankende Losgrößen und Peaks wie Weihnachten meistern. In diesem Zusammenhang besteht für Schlosser die Herausforderung, Produktion und Logistik stärker zu verschmelzen. Um Spitzenzeiten erfolgreich zu bewältigen, ist laut Walter Müller eine flexible Automatisierung erforderlich. Solche Systeme sind aus Sicht von Frank Apel auch deswegen unerlässlich, weil die Produktzyklen immer kürzer werden. Einen weiteren Aspekt brachte Jens Karolyi in die Diskussion ein: „Ich halte es für ein spannendes Thema, Fördertechnik-Anlagen in Spitzenzeiten zu vermieten.“ Dafür müssten jedoch auch genügend geeignete Logistik-Partner zur Verfügung stehen.

Jens Karolyi
„Ich habe den Eindruck, die Branche wacht auf.“

Jens Karolyi Interroll Worldwide Group

Logistik ist Kerngeschäft

Chefredakteur Martin Schrüfer hakte ein und wollte wissen, welche Rolle heute Third Party Logistics (3PL) generell spielt. „Viele Unternehmen haben ihre Logistik wieder zurückgeholt, weil sie mit externen Dienstleistern nicht zufrieden waren“, stellte Volker Welsch fest. Und Jens Karolyi ergänzte: „Logistik ist Kerngeschäft.“ Dabei sei jedoch eine genaue Analyse des Ist-Zustands erforderlich. „Die Unternehmen müssen sehr genau prüfen, was sie dem Kunden am besten anbieten können, und was dazugekauft werden muss.“ Große Player bräuchten keine externen Partner, weil sie die Intralogistik als Kernkompetenz betrachteten. Die Fördertechnik ist unterdessen flächendeckend verbreitet, komplett brachliegende Branchen und Anwendungsgebiete gibt es nach Übereinstimmung der Experten nicht. Ein gewisses Potenzial sieht Ulrich Schlosser lediglich im Handel und Non-Food-Bereich. „Hier wird der E-Commerce weiter wachsen und neue Anwendungen hervorbringen.“ Auch die Intralogistik bietet nach Einschätzung von Walter Müller Verbesserungen im Detail. „Teilautomatisierungslösungen könnten den innerbetrieblichen Transport optimieren“, meinte er. Einen gewissen Spielraum sieht Jens Karolyi auch im Handel. „Supermärkte sind beispielsweise von der Logistik her sehr ineffizient. Hier wäre eine Lösung denkbar, wie sie in Apotheken praktiziert wird: Im Hintergrund läuft die Fördertechnik und holt dem Kunden die gewünschten Produkte. Das spart viel Zeit“, skizzierte Karolyi.

Über eine technische Neuheit berichtete Frank Apel. „Wir haben ein Paletten-Shuttle entwickelt und gehen in die ersten Projekte. Davon versprechen wir uns mehr Effizienz im Paletten-Transport“, sagte er.

Volker Welsch
„Irgendwann fliegt uns die Tasse in der Kurve aus der Kiste.“

Volker Welsch psb intralogistics

Potenziale sieht Walter Müller in der schnellen Be- und Entladung von Lkw. Ladungsträger und Transporteinheiten werden immer individueller. „Wir haben deswegen Ladungstechnik als Baukastensystem geschaffen, die wiederverwendbar und auf den jeweiligen Einsatzfall angepasst ist. Dadurch erreichen wir eine hohe Wertschöpfung“, erklärte er. Zu den spannenden Themen in der Fördertechnik gehört auch die vorausschauende Wartung. Die Erfassung von Daten in Kombination mit leistungsfähiger Software kann dazu beitragen, Fehler in Anlagen rechtzeitig zu erkennen, ehe sie großen Schaden anrichten. Dabei dürften aber keine Systeme entstehen, die nur von wenigen Spezialisten im Unternehmen beherrschbar sind, meinte Volker Welsch. Sein Ratschlag: „Auch technische Weiterentwicklungen müssen für den Bediener einfach bleiben.“

Klaus Hiemer

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